Berliner Zeitung
Drei Amtszeiten reichten ihm – Professor Albert Scharf wollte nicht
noch einmal zur Wiederwahl antreten. So ist der Intendant des Bayerischen Rundfunks
nur noch bis Frühjahr 2002 in seinem Amt, und das politische Spiel um
die Nachfolge konnte eröffnet werden. Nichts ist entschieden, fast alles
scheint noch zu gehen, und nur eines ist so sicher wie das Amen in der katholischen
Kirche: Beim bayerischen Intendanten-Roulette wird die Kugel am Ende wieder
auf einem schwarzen Feld zum liegen kommen. Die Frage ist nur, wie dunkelschwarz
dieses Schwarz schließlich sein wird. Darüber wird derzeit im Süden
schon heftig diskutiert. Die CSU hat zwar nur sieben der 47 Sitze im Rundfunkrat,
konnte bisher bei den Repräsentanten politischer, gesellschaftlicher und
weltanschaulicher Gruppen aber immer zwei Drittel der Stimmen für den
eigenen Kandidaten einheimsen. Daran wird sich auch jetzt nicht viel ändern.
Und doch ist einiges anders. Die letzten Male wurden die Kandidaten stets in
aller Stille und Einigkeit ausgesucht, aufgestellt und schließlich auch
gewählt. Diesmal scheint es mit Einigkeit und Stille nicht weit her zu
sein. Relativ früh schon wird scharf geschossen. Im Visier steht dabei
vor allem Gerhard Fuchs.
Seit längerem ist der renommierte Fernsehdirektor, Presseclub-Moderator
und frühere Chefredakteur von ARD-aktuell der Lieblingskandidat des bayerischen
Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Fuchs (53) gilt als loyal und linientreu.
Allerdings, so wurde unlängst in Münchner Zeitungen berichtet, leide
er unter einer eklatanten Führungsschwäche und habe keine Mehrheit
im Rundfunkrat. Das Spiel hat noch gar nicht richtig begonnen, da scheint es
für Stoibers Kandidaten schon wieder vorbei zu sein. Rien ne va plus,
Herr Fuchs? Keineswegs, sagt der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser,
der die Staatsregierung im Rundfunkrat vertritt. Fuchs sei in den vergangenen
Jahren im Aufsichtsgremium mit „viel Beifall bedacht worden für
seine Arbeit“, hält Faltlhauser in einem Interview mit dem Münchner
Merkur dagegen. Fuchs solle als Stoibers Kandidat im Vorfeld beschädigt
werden und dahinter stecke allein die Opposition, die „dem erfolgreichen
Ministerpräsidenten gegen das Schienbein zu treten“ versuche.
Hinter
vorgehaltener Hand wird allerdings auch im Rundfunkrat darauf hingewiesen,
dass der Fernsehdirektor Fuchs Entscheidungen gern auf die lange Bank geschoben
habe, worauf auch konservative Räte oft mit Unverständnis reagierten.
Die Staatsregierung dementiert dennoch heftig, dass Gerhard Fuchs bereits aus
dem Rennen sei. Auch Alois Glück, Fraktionsvorsitzender der CSU im Landtag
und Stimmführer der Partei im Rundfunkrat, hält Fuchs „mit
Sicherheit für das Amt des Intendanten geeignet“. Dabei ist es jedoch
ein offenes Geheimnis, dass der einflussreiche Rundfunkrat und Strippenzieher
Glück einen anderen Kandidaten bevorzugt: Michael Rutz, amtierender Chefredakteur
der katholischen Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“. Der 49jährige
begann seine Karriere als Wirtschaftsredakteur beim Bayerischen Rundfunk, war
Hauptabteilungsleiter beim Bayerischen Fernsehen und wurde schließlich
Sat1-Chefredakteur, bevor er zur Wochenzeitung wechselte. Er kennt also alle
Facetten einer Medienlandschaft, die in vielerlei Hinsicht enger zusammenwächst.
Gelobt wird von jenen, die Rutz favorisieren, vor allem seine „Prinzipientreue
auf christlichem Fundament“.
Offenbar gibt es in der Intendantenfrage auch innerhalb der CSU verschiedene
Strömungen. Personalpolitische Alleingänge des Ministerpräsidenten
Stoiber, wie zum Beispiel beim Verbraucherschutzministerium oder bei der Landesbank,
scheinen diesmal nicht zu laufen. Vielleicht, so wird in München spekuliert,
sei dies ja auch der politische Hintergrund für die frühzeitige Diskussion,
in der die CSU-Fraktion von vornherein mitreden will. Sozusagen ein Warnschuss
Glücks, wie die Süddeutsche Zeitung vermutete.
Allerdings kann nicht
ausgeschlossen werden, dass es dabei um mehr geht als um CSU-interne Machtspiele.
Nämlich um eine sachpolitische Entscheidung
zugunsten des öffentlich-rechtlichen Systems. Nach den drei Amtszeiten
des Intendanten Albert Scharf - ein hochkarätiger Liberal-Konservativer
mit internationalem Format – könnte es ohnehin schwierig sein, jemanden
zu finden, der in dessen Fußstapfen treten kann. Scharf (66) hat sich
als Segen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erwiesen. Er hat
dessen Position vehement und kompetent vertreten und dabei auch politische
Konfrontationen nicht gescheut.
Die Probleme für das öffentlich-rechtliche System aber werden künftig
eher größer werden. Dafür braucht es wieder einen entscheidungsfreudigen
Intendanten. Das sieht nicht nur die Opposition in Bayern so, die noch keinen
eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt hat und auch sicherlich nicht davon
träumt, einen ausgewiesenen Linken auf diesen Posten hieven zu können.
Man hofft eher auf ein breites, nicht parteipolitisch motiviertes Bündnis
im Rundfunkrat, das sich auf einen starken, unabhängigen Kandidaten einigt. „Wir
brauchen für die anstehenden Aufgaben eine Persönlichkeit aus dem
liberal-konservativen Bereich, die sich um den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk verdient gemacht hat“, fordert die Landesvorsitzende der bayerischen
Grünen, Margarete Bause. Namen will sie jetzt noch keinen nennen. Aber
klar ist, dass ein CSU-Generalsekretär Thomas Goppel, der sich selbst
immer wieder gern ins Spiel bringt, weil die Intendanz schon ein „Traumjob“ für
ihn wäre, dieser Stellenausschreibung weniger entsprechen dürfte.
Viel
eher schon kommt der Hörfunkdirektor des BR in Frage: Thomas Gruber
(58) gilt als liberal-konservativ und sehr durchsetzungsfreudig. Im Rundfunkrat
genießt er hohes Ansehen, nicht zuletzt deshalb, weil er die Reform von
Bayern 1, die von außen heftig kritisiert wurde, beherzt durchgezogen
hat. Lob und Bewunderung der Räte für dieses Reformwerk schlugen
sich dann auch bei der Wiederwahl Grubers zum Hörfunkdirektor nieder.
Es gab keine Gegenstimmen. Mit dieser Hausmacht hätte er also beste Chancen.
Aber Gruber zieht noch nicht recht, hält sich bislang noch eher bedeckt,
was zum jetzigen Zeitpunkt auch vernünftig erscheint. Der medienpolitische
Sprecher der bayerischen SPD, Peter Hufe, jedenfalls lobt Grubers Verdienste
um den Rundfunk und könnte sich diese Option gut vorstellen: „Wenn
er sich doch noch bereit erklärt – mit Thomas Gruber könnten
wir gut leben.“ Für die SPD geht es darum, jemanden zu finden, der
auch im BR-Fernsehen eine politisch unabhängige Berichterstattung pflegt. „Wir
werden nicht tatenlos zusehen, wie die eklatant parteiliche Berichterstattung
in den politischen Sendungen des bayerischen Fernsehens noch weiter verstärkt
wird“, sagt Hufe. „Wenn Herr Fuchs Intendant wird und Herr Gottlieb
auf seinen Posten nachrückt, dann stehen wir am Rand von tschechischen
Verhältnissen. Dann würden wir richtig Rabatz machen, bis hin zum
Volksentscheid. Denn das wäre aus Sicht der bayerischen SPD völlig
unerträglich.“
Die Kugel rollt, das bayerische Roulette geht weiter. Bis zum 10. Mai will
sich der Rundfunkrat über die Regularien der Wahl einig werden. Gewählt
wird der neue Intendant im Oktober des Jahres.